oder das Verhältnis von Mensch und Maschine

Irgendwann, kurz nachdem ich mir meinen CD 103 zugelegt hatte, rief mich ein Bekannter an und wir unterhielten uns einige Zeit bis die übliche Frage kam: "haste eigentlich deinen SLK noch" Den darauffolgenden Dialog werden möglicherweise auch einige andere Bitter-Eigner kennen: "Ne, hab ich getauscht, gegen einen Bitter." (Pause) "gegen was?" — den Rest des Gespräches erspare ich mir, denn rational betrachtet gehen einem hier schnell die Argumente aus, gegenüber Zeitgenossen die in einem Automobil lediglich ein Transportmittel sehen. Mir jedenfalls fällt kein praktisches Argument ein, warum man ein drei Jahre altes "High Tec" Cabrio der Neunziger gegen ein 30 Jahre altes (Traum)-Auto tauscht, ohne Kat., 5,4l Hubraum und einem Benzinverbrauch der sicherlich nicht mehr zeitgemäß ist.

Ok, auf der Ebene müssen wir uns wohl geschlagen geben, aber es gibt ja noch den emotionalen Faktor, der unverbesserliche Pragmatiker zu der Meinung kommen läßt, wir Oldtimerfreaks hätten sie nicht alle. Als das Telefongespräch mit meinem Bekannten beendet war, stellte ich mir die Frage warum es eigentlich (wieder) ein Oldtimer und dann ausgerechnet ein BITTER CD sein mußte? Dazu nochmals zurück zu meinem SLK. Das Auto war wunderschön und nahezu perfekt bis ins kleinste Detail. Da das Auto neu war als ich es kaufte, hatte es weder Patina noch Geschichte. Alles funktionierte auf Knopfdruck, ohne Murren und Quietschen. So ungewöhnlich das klingt, aber damit verliert ein Gegenstand, wahrnehmungspsychologisch betrachtet, jegliche Seele, soweit man bei einem toten Gegenstand davon sprechen kann. Denn letztendlich sind auch ein SLK oder ein BITTER CD nicht mehr als zehn Quadratmeter Auto.

An einem technischen Gegenstand muss man sich emotional reiben können um zu ihm einen Bezug zu entwickeln. Wer trennt sich schon gerne von seinem alten Feuerzeug auch wenn man zehnmal drückt bis die Flamme steht? Wer hat nicht schon x-mal vor die Schublade seines alten Schreibtisches getreten, weil sie nicht richtig schließt? Aber ein Neuer? Unmöglich. Warum reden Menschen mit ihrem Computer und zwar insbesondere dann, wenn er nicht das macht was er soll? Oder haben Sie Ihrem Computer schon mal gesagt "das hast du aber toll gemacht" In dem Augenblick wo ein Gerät nicht seiner Funktion entsprechend arbeitet, tritt dieser Gegenstand in einen Dialog mit uns, er spricht sozusagen mit uns. Er entwickelt eine Form von Persönlichkeit weil er seinen Willen entgegen seiner Funktion durchzusetzen scheint. Der SLK war perfekt und stumm — irgendwann schlicht langweilig.

Hinzu kommt, dass bei mir immer wieder die alte Schrauberseele durchschlägt und ich mir Fragen stelle wie ich beispielsweise eine Glühbirne im Drehzahlmesser austausche? Ohne Totalverlust irgendwelcher zerbröselter Kunststoffteile hier unmöglich. Versuchen Sie mal im Innenraum eines neuen Mercedes eine sichtbare Schraube zu finden. Vergessen Sie es, bis Sie eine finden habe ich am CD zweimal die Kerzen gewechselt. Denn auch hier findet kein "Dialog" zwischen mir und dem Gegenstand statt. Sehe ich eine Schraube, sagt mir der Gegenstand: hier ist die Schnittstelle, hier kannst du etwas bewegen. (sorry, vielleicht hab ich sie wirklich nicht alle, aber ich bin Produktdesigner und als solcher muß ich so denken). Völlig hoffnungslos wird dieser Denkansatz natürlich wenn es um Elektronik im Auto geht, denn hier geht nun jegliche Sichtbarkeit der Abläufe verloren. Natürlich ist eine "Bosch LH.Jetronik mit lastabhängiger Kennfeldsteuerung und Lambdaregelung" nahezu ein Wunderwerk der Technik. Aber im Vergleich zu einem feinmechanischen Präzisionsgerät wie einem Vergaser, ist sie nicht mehr als eine Swatch Quarzuhr gegenüber einer Omega Speedmaster. In meinem CD steckt die gesamte Elektronik — abgesehen vom Radio — im Blinkrelais, dem Regler der Lichtmaschine und einem Kondensator am Zündverteiler und Wischermotor. Der Rest ist einfache Elektrik und somit überschaubar und mit einer einfachen Prüflampe zu prüfen. Bei einem modernen Auto können Sie mit der Prüflampe höchstens den Motorraum beleuchten und prüfen ob alles noch da ist.

Aber warum dann nicht gleich einen alten Ferrari oder Maserati? Naja, ich kommuniziere zwar ganz gern mit meinem Auto aber irgendwann möchte ich auch mal damit fahren. Ein Freund von mir, Römer und ebenfalls Produktdesigner, hat mir einmal erklärt, dass sich italienische Produkte — nicht nur Autos — insbesondere durch zwei Dinge auszeichnen: betörendes, rasantes Design und den, wie er es nannte "italienischen Faktor". Will sagen, die Dinge aus Italien sind schön und innovativ aber irgendwie funktionieren sie nicht richtig. Somit bin ich zu der Erkenntnis gekommen, das ein Ferrari und ich einfach nicht die gleiche Sprache sprechen. So faszinierend ich einen Zwölfzylinder mit sechs Webervergasern finde, ich würde einfach nicht mehr mit ihm reden wenn nach 30.000 Km die Nockenwellen rund sind.

Es ist übrigens auch sehr interessant anhand der Herkunft eines Fahrzeuges die unterschiedlichen Mentalitäten der Landsleute zu dokumentieren. Zumindest trifft dies auf Oldtimer zu. Aufgrund der wirtschaftlichen Globalisierung verwischen diese Mentalitäten heute. Die englischen Automobilbauer beispielsweise haben geniale Ideen aber schlichtweg keine Lust sie zu Ende zu denken. Sie haben eine Idee, machen — wenn gerade ein Bleistift zur Hand ist — eine Skizze und gehen direkt in die Werkstatt und bauen es. Und um sicher zu gehen dass es hält, wird nicht gerechnet sondern einfach die Materialstärke vervierfacht. Bei Italienern muß alles, selbst die kleinste Schraube, oder zumindest die Stelle an der sie sitzt, aufregend sein. Ob alles seinem Zweck entsprechend funktioniert, ist nicht so wichtig. Aber gerade das macht bei Beiden den Charme aus. Die Deutschen dagegen sind pragmatisch, pedantisch und qualitätsversessen (made in Germany). Alles muß in erster Linie perfekt funktionieren. Ein funktionierendes Produkt ist ein gutes Produkt. Wie es aussieht spielt eine untergeordnete Rolle. Die Form folgt der Funktion. Erst in den letzten 20 Jahren haben Automobildesigner in Deutschland wieder realisiert das gute Technik alleine sich schwer verkaufen läßt. Genau deshalb entschied ich mich für die Kombination aus Design und Technik die sich im Bitter CD vereint.

Ich möchte allerdings nicht den Eindruck erwecken moderner Technik gegenüber verdrossen zu sein. Ganz im Gegenteil, im Alltag fahre ich einen Golf TDI neuster Serie. Aber mit dem rede ich selten und er mit mir auch kaum. Er soll auch in erster Linie fahren. Er muß dabei auch nicht schön und edel sein und reparieren muß ich ihn nicht selbst, also gibt es wenig Gesprächsstoff zwischen uns. Es sei denn er streikt, aber das macht er nicht, er ist eben Urdeutsch. Seine Faszination liegt auch genau an der Stelle: ein Diesel mit 1,9l, 330Nm Drehmoment, in 9,5 Sek. auf hundert, Spitze 220Km/h. Der Kenner wird feststellen, das dies ähnliche Werte sind wie die des BITTER CD. Wenn vor dreißig Jahren jemand behauptet hätte, das sei möglich, hätte man ihn ausgelacht. Anfang der Siebziger wurde der Diesel nahezu für tot erklärt.

Peter Stark